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Denn da gab es einen Nothelfer in der Person des Josef Walthierer aus Beilngries, der gemeinhin nur mit seinem Hausnamen "Der Batz" gerufen wurde. Der Leser wird staunen über die Vielfalt der Grundlagen, die dieser fleißige und wendige Mann zu Wurzeln seiner Existenz zu machen verstand. Er war Landwirt, Gastwirt, Metzgermeister, Wildbret- und Rauchwarenhändler, worunter der Handel mit Bälgen, Decken und Schwarten zu verstehen ist, und er handelte schließlich mit Jagdwaffen und Jagdbedarf. Hauptsächlich der Wildhandel bedingte eine vielseitige Verbindung mit den Jägern im weiten Umkreis und der Kauf ganzer Treibjagdstrecken setzte seine Anwesenheit bei den Jagden voraus. Dabei führte er in seinem Kleinauto mit Allwetterverdeck (eines der wenigen seiner Zeit) immer einen Vorrat der gängigsten Jagdpatronen mit. Dieser Dienst am Kunden wurde von vielen gern angenommen, ersparte er doch manchem einen stundenlangen Weg nach Beilngries, wenn er es nicht doch vorzog, unter dem Vorwand des Patronenkaufes oder eines sonstigen Geschäfts auf ein Seidel Bier beim Batz einzukehren, wie es das Beispiel des Korl von Irfersdorf gezeigt hat. Etwas abseits von der Hauptstraße und ihrem Getriebe, wenn man schon von einem solchen reden will, barg das Haus die zwar kleine aber Gemütlichkeit ausstrahlende, helle Wirtsstube, in deren Ofenwinkel den ganzen Winter über Fuchs- und Marderbälge in der wohligen Kachelwärme auf Spannbrettern trockneten. Das war neben den alten, tabakverräucherten Rehkronen und den alten Schützenscheiben an den Wänden der gegebene Rahmen zu geselligem Treffen und Beisammensein der Grünröcke aus der ganzen Umgebung. Vermutlich waren diese Begegnungen deswegen so anziehend, weil sie zumeist ohne vorherige Verabredung ganz von selbst zustande kamen. Da machte man Brotzeit, trank, kartete, lachte und sang manches schneidige, manches sentimentale Jägerlied, da wurden Gewehre und Jagdbedarf aller Art meist unter der Regie des Wirts gehandelt und getauscht, mit oder ohne Aufgeld, aber immer mit einem Leikauf (Handgeld) zum Vertrinken in der Tischrunde. Treibjagdtermine wurde hier aufeinander abgestimmt, Erfahrungen und Erlebnisse wurden ausgetauscht, man erfuhr von Jagdverpachtungen, der Kauf von Jagdhunden wurde vermittelt und über die Wildbretpreise wurde ebenfalls diskutiert. Kurz gesagt, hier war die "Jagdbehörde" der Gegend, die einen das Fehlen einer örtlichen Jägerorganisation leicht verwinden ließ. Der Batz war bekannt als ebenso flinker und treffsicherer Schütze wie als unterhaltsamer und schlagfertiger Gesellschafter. Er besaß das anscheinend bei Wirten besonders ausgeprägte Gespür dafür, was einer beim "auf den Arm nehmen" gerade noch verkraften kann. So begrüßte er heute, noch im Türrahmen stehend, den Korl von Irfersdorf lautstark und für alle vernehmbar: "Das trifft sich gut Korl, dass wir heute zusammenkommen. Ich soll der nämlich einen schönen Gruß bestellen vom Herrn Oberamtsrichter von Beilngries. Dur brauchst in der kommenden Woche nicht ans Vormundschaftsgericht zu kommen wegen der einen Vaterschaftsklage. Der Herr Oberamtsrichter will gleich zuwarten, bis die beiden anderen Schwangerschaften auch beendet sind. Dann geht alles in einem Aufwaschen". Diese unzweideutige Anspielung auf die zahl-, erfolg- und folgenreichen Seitensprünge, für die der Korl bekannt war, empfand der auf seine Weise lebensspendende Schelm keineswegs etwa als Bloßstellung vor allem Volke. Im Gegenteil, bei seiner beinahe schon sprichwörtlich gewordenen Dickfelligkeit brauchte es niemanden zu wundern, dass im Chor der allgemeinen Heiterkeit sein eigenes dröhnendes Lachen überwog. "Der Herr Oberamtsrichter darf schon auch einmal etwas tun für eine alte "Kundschaft", meinte der Korl selbstironisch und brachte damit die Lacher wieder auf seine Seite. Obwohl er den schönen Namen Josef trug und auch das ehrsame Zimmererhandwerk ausübte wie sein biblisches Vorbild, wandelte er dennoch auf ganz anderen Pfaden. Er verstand es aber, deren Hindernisse und Folgen mit einer beneidenswert unerschütterlichen Sorglosigkeit aus dem Weg zu gehen. Es wäre zu viel gesagt, wollte man den Filou den Trinkern zuordnen, aber er wusste den Nährwert des flüssigen Brotes der Bayern wohl zu schätzen. Seine Fertigkeit beim Finden von Gelegenheiten, die Quellen des edlen Gerstensaftes oft auch auf Kosten anderer zum Sprudeln zu bringen war so vielseitig wie die eines erfahrenen Wünschelrutengängers. "Weil du mir gar so hart geredet hast vorhin", meinte er in diesem Falle lachend zum Batz, "trinken wir halt am Abend eine Maß miteinander auf deine Rechnung". Wie nicht anders zu erwarten war, fand dieser Vorschlag zur Güte denn auch Zustimmung. Der Batz knüpfte, allerdings nicht ohne Hintergedanken, die Erwartung daran, der Korl müsse dann aber auch wieder einmal das Bänkellied vom versoffenen Leopold zum besten geben. Der sangeslustige Kumpan ließ sich das nicht zweimal sagen und sang denn auch sofort mit seiner wohlklingenden Tenorstimme - gleichsam als Vorschuss eine Strophe der Schauermär, die ihm auf den Leib geschrieben schien: "Schlechter Kerl,
denkst du nicht an deine Kinder, Aber alles Geld
hat der Leopold versoffen,
Vergnügt patschte
er in die Hände und versprach: "Fortsetzung heute Abend."
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