"Die Paulushofener  und Irfersdorfer Jäger"

 

 


Auf halbem Wege zwischen Paulushofen und Aschbuch holte das Gespann die Paulushofener Jäger ein. Den stillen, in sich gekehrten Oberforstverwalter Thoma, den schlohweißen aber quicklebendigen Oberlehrer Benl und den manchmal mit einem Hang zum Phantastischen behafteten Jungbauern Hans Gerneth. Die Unterhaltung dieser drei Jagdreviernachbarn war ohnedies nicht gerade lebhaft gewesen. Vieleicht stand sie im Schatten von Grenzböcken, obwohl oder weil diese schon lang nicht mehr lebten. Man sollte meinen, die Jäger verstünden, ohne heimlichen Groll mit solchen Unebenheiten leben zu können, zumal doch nicht immer nur der Reviernachbar sündigt. Alle drei fanden stehend Platz auf dem Wägelchen und zogen die nicht gerade bequeme Fahrgelegenheit doch dem weiteren Fußmarsch vor.


Flambo, der braungetigerte Deutschkurzhaar des Herrn Oberlehrer, war heilfroh, in einem unbewachten Augenblick wieder vom Wagen springen zu können, auf den man ihn vorher mit nicht geringer Mühe gehoben hatte. Er stand - wie der Jäger sagt - schon im achten Feld, war aber noch nie gefahren worden und konnte offenbar nicht begreifen, wie man auch ohne Bewegung der Läufe vom Platz kommen kann. Pferd und Hund trollten daher im besten Einvernehmen nebeneinander in den merklich aufhellenden Morgen.
 

Kurz vor dem Ziel traf das Schellengefährt auf unser Trio aus Irfersdorf und Neuzell. Da sich jetzt am Dorfrand die Mühe des Anhaltens zum Zusteigen nicht mehr lohnte und auch der Platz mangelte, glaubte der Wagenlenker den alten Bekannten wenigstens ein Zeichen der Verbundenheit geben zu müssen. Und er tat es auf seine Weise, indem er den drei Fußwanderern im flotten Vorbeifahren in gekonnter Manier einen "Goaßlschnalzer" so dicht vor die Nasen knallte, dass sie erschreckt zurückweichen mussten. Obwohl sich der Sepp den Anschein der Absichtslosigkeit zu geben bemühte, konnte er sich´s dennoch nicht verkneifen, mit einem verstohlenen Blick zurück die Wirkung dieser eigenartigen Begrüßung zu genießen. Er verzog zwar dabei auch keine Miene, wer aber in den Gesichtern zu lesen versteht, der konnte ein füchsisches Aufglimmen in den Zügen des Täters nicht übersehen. Der tat so, als müsse er aufmerksam auf das Zügeln seines Pferdes achten, dabei war der lammfromme "Mühl-Fuchs" der Liebling aller Plankstettener Dorfkinder. Es war schon verwunderlich, dass es der Fuhrmann nicht vernommen haben sollte, als ihm einer der drei, es war der Korl von Irfersdorf, mit geballter Faust nachrief: "Saukopf, damischer!", denn das schallende Gelächter der Mitfahrenden bewies, dass es alle gehört haben mussten.
 

In der Dorfschmiede von Irlahüll, wo werktags schon in aller Herrgottsfrühe der fußbetriebene, zählederne Blasebalg zu fauchen pflegt, herrschte heute ungewöhnliche Stille. Einem höllischen Rachen gleich gähnte der dräuend-schwarze Rauchfang, wie es schien, gelangweilt von der Decke herab über der erkalteten Feuerstelle des Schmiedeherdes. Das morgendliche Dämmerlicht schummerte in der rußgeschwärzten Werkstatt und vermittelte einem empfindsamen Gemüt alsbald jene geheimnisvolle Stimmung, die auch Atmosphäre und Kulisse ist für vielen Sagen und Geschichten um das Handwerk des Schmiedes. Obwohl in nicht wenigen von ihnen der Teufel die Hauptrolle spielt, konnte einem dennoch auch das Lied von Gott, der Eisen wachsen ließ, in den Sinn kommen.
 

Da lehnte der schwere Vorschlaghammer stieloben, zusammen mit vielerlei Zangen und Gestänge rundum am riesigen Eichenstammsockel des Ambosses. Das lederne Schurzfell hing schlaff am Haken an der rußigen Wand. Es brauchte heute keine "Schmiedflöhe" abzuhalten. Im länglichrunden Holzzuber mit den unzähligen Brandnarben spiegelte abgründig das Kühlwasser wie der mystische Glanz eines Riesenauges. Sogar der Maßkrug aus grauem Steingut hatte für heute ausgedient. Gleichwohl glänzte seine Glasur dem Eintretenden aus der Mauernische entgegen, was der Eingeweihte sehr wohl als das vielsagende Zwinkern deuten konnte.
 

Reingefegt war die Beschlagbrücke; Hufmesser und Raspel, Beschlaghammer und Zange lagerten auf dem tragbaren Werktisch. Darunter lehnte, beim Aufräumen lässig an die Wand gekippt und auch so belassen, der Hufschemel. Fast schien es, als strecke dieser tagaus, tagein geschundene Dreifuß seine wurzelknorringen Ständer heute einmal voll Behagen von sich. Der Meister von Hammer und Amboss, der dunkellockige, blauäugige und von Berufs wegen immer durstige Engelmann Michel, hatte sich ebenfalls mit seinem Dorf- und Waldgenossen, dem petrusbärtigen Markus Geyer mit dem seltsamen Hausnamen "der Kapitel", auf den Weg nach Aschbuch gemacht.

Beide führten noch immer ihre handfesten alten Hahndrillinge. Wegen ihrer zur Neige gehenden Patronenvorräte, wie sie das beim Abmarsch feststellen mussten, brauchten sie sich aber, wie die meister der Treibjagdteilnehmer, keine Sorgen zu machen.
 

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Der "Batz Sepp" aus Beilngries