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Da kam dem Voggenreiter der Schreiner von Dörndorf gerade gelegen. Dieser ließ sich nämlich die Pflege seines auffallend kräftigen Schnauzbartes offensichtlich sehr angelegen sein. Auch sein nicht gerade hoher körperlicher Wuchs mochte den Schreiner veranlassen, durch Schwung in Kleidung, Gang, Gesten und Gebärden den Ausgleich in Anerkennung bei den anderen zu finden. Es ist ja ein Vorrecht der Kleinen, auf solche Weise sich auch Geltung zu verschaffen. Manche glaubten aber, der Schreiner lege mehr Schwung an den Tag als ihm gerechterweise zustehe. Heute war er der letzte gewesen, der sich den Schnee an der standfest in den Boden gerammten schmiedeeisernen Scharre streifte. Zur allgemeinen Gaudi begrüßte der Voggenreiter seinen alten Bekannten: "So, Windbeutel, bist auch da! Gröiß die God" Heut hast aber deinen Schnauzer wiedermal hin dressiert wie ein paar aufgestellte Oachkatzlschwänz." Der Schreiner Gerstner fühlte sich aber keineswegs lächerlich gemacht. Schlagfertig erwiderte er unter deutlicher Anspielung auf das lange, dünne, etwas gekrümmte Format der Virginia des Lästerers, er selber sähe immer noch besser aus als einer mit einem Katzenwedel im Gesicht. Abschließend vergalt er ihm auch noch - herzhaft lachend - in gleicher Münze den Windbeutel: "Du roter Eisenbahnerbeutel, du roter!"
Es blieb
jeden einzelnen überlassen, diesen farbigen Titel als Anspielung
auszulegen auf die rote Haar- und Bartfarbe des Alois oder gar auf die
politische Einstellung der Eisenbahner im allgemeinen. In wesentlich
anderer Tonart, aus der jeder entnehmen konnte, dass keiner vom anderen
etwas übergenommen hat, fuhr schließlich Voggenreiter vermutend fort: "Du
wirst mit dem Radl über Grampersdorf her gekommen sein". "Na, na,"
erwiderte der Gerstner, "mit dem Radl richt´ heut keiner was aus. Ich bin
auf dem Kirchbucher Straßl rüber gewalzt". Er habe anderthalb Stunden
gebraucht und es sei schlecht zu marschieren gewesen bei dem lockeren
Schnee über dem groben Schotter, den man erst im Herbst aufgebracht habe
und der noch nicht festgefahren sei. "Warum soll´s dir besser geh 'n als
uns allen?" warf der Korl von Irfersdorf ironisch ein, stieß mit ihm an
und gab damit zu erkennen, dass er nicht etwa Schadenfreude, sondern das
gemeinsame Sich-Abfinden mit den Gegebenheiten hatte ausdrücken wollen.
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