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Er spielte damit auf die neuartige automatische Browingflinte belgischen Fabrikats an, die der Müller als einziger in der Gegend führt. "Mit solch einer Flinte kann man doch gar nicht fehlen", meinte er. "Und trotzdem", beendete der Schweiger das Gespräch, "die Enten müssen getroffen werden. Wer net zielt, trifft net, heißt´s". Der Müller war noch mit der Ablage seiner Garderobe beschäftigt, wobei er seinen Jagdmuff aus Fuchspelz mit besonderer Sorgfalt an den Kleiderrechen hängte, als sich schon wieder die Tür öffnete und der Moier von Kirchanhausen, von den Zunächstsitzenden lebhaft begrüßt, im Türrahmen erschien. Obwohl er nicht gerade von großem Wuchs war, bot er dennoch das Bild des selbstbewussten Bauern. Gewohnheitsmäßig zwirbelte er, in die Runde blickend, seinen Kaiser-Wilhelm-Schnauzbart zurecht, als ihm schon der Englmann Michel von Irlahüll nach altem Brauch den schäumend, heute schon zum zweiten mal frisch gefüllten Maßkrug über den Tisch zuschob mit der Aufforderung: "Moier-Vetter, tu mir Bescheid!" Sichtlich geehrt nach dieser einen kräftigen Schluck, den der Gastgeber mit einem noch tieferen Zug erwiderte. "Ich dank dir schön, Schmie" (wer hier in diesem Kreis das "d" nicht verschluckte, verriet sich sogleich als Fremdling), "ich trinke zwar lieben aus einem Seidel, aber darauf bist du ja nicht geeicht", lachte der Moier vielsagend. "Setz dich nur gleich zu uns her", lud ihn der rothaarige, spitzbärtige Voggenreiter ein, der mit seinem lauten Organ oft das große Wort führte. "Du bis doch der feinste Knopf von uns allen zusammen", fuhr er fort. "Du hast einen schönen Hof, Rösser, einen Stall voll Rindvieh und Säue, net wenig Wiesen und Felder rund um den Hof, und Holz hast, die Altmühl ist jetzt auch begradigt, so dass dir die Sommerhochwasser nicht mehr viel anhaben können. Eine schöne Strecke Fischwasser im Eigentum und eine Pachtjagd! Nach den zwei Moidla ist der Stammhalter auch noch angekommen, jetzt fehlt dir nur noch der "von" deines Vorbesitzers und der Baron ist wieder fertig. Was willst du noch mehr?" "Mach es nur halbwegs", wiegelte der Moier ab, weil er wohl wusste, dass der Neid ein schlimmes Laster ist und trachtete etwas vom Thema abzulenken. "Du redest grad von der Altmühlbegradigung, da müssen wir erst einmal abwarten, wie die sich auf die Talfeuchtigkeit auswirkt. Und davon sagst du nichts, dass wir Bauern schön tief in den Beutel greifen müssen dafür. Noch dazu ist mein schönes Fischwasser viel kürzer in der Strecke geworden und die Beschleunigung der Fließgeschwindigkeit des Wassers ist alles andere als günstig für den Fischbesatz. Es hat hat alles seine zwei Seiten", schloss er und fand damit die Zustimmung der Umsitzenden. Im übrigen verstand er, sein Dasein nach bewährter bäuerlicher Weisheit auszurichten, indem er das Jahr mit seinen vielen Abwandlungen nicht als einzelnes für sich erlebte, er sah es vielmehr als einen Mosaikstein im Gefüge aller anderen und fand so zu einem beneidenswerten Optimismus. Für einen Großbauern wie ihn wollte es schon etwas bedeuten, wenn er beispielsweise langandauernde Schlechtwetterperioden mit Gelassenheit und Zuversicht durchstand; er bleib so immer frohgemut und war mit einer besonnenen Leichtlebigkeit gesegnet, die jedoch mit Leichtsinn ganz und gar nichts gemein hat. Wenn schon von seinem Naturell die Rede ist, darf eine Eigenart nicht unerwähnt bleiben. Es war sein mehr oder minder ernsthaftes Bemühen, zu allem und jedem verwandtschaftliche Bindungen aufzuspüren. Bei der Bodenständigkeit der Menschen jener Zeit fiel es ihm in vielen Fällen nicht allzu schwer, den Nachweis des Verwandt seins zu führen. Andernfalls ließ sich schließlich bei einiger Großzügigkeit über neunmalneun Ecken eine Verwandt- oder Schwägerschaft jedes mit jedem aufstöbern. Bei dieser harmlosen Marotte spielten alle mit und je nach Eng- oder Weitmaschigkeit der verwandtschaftlichen Bande bildeten sich im persönlichen Verkehr mit ihm selbst die Anreden Vetter, Vetter Sepp, Moier-Vetter, Vetter-Moier, Vetter-Sepp und Herr Vetter, so dass schließlich sein eigentlicher Name Sölch schier in Vergessenheit geriet.
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